Corona-Krise und Tourismuswirtschaft – eine interdisziplinäre Analyse

Fachwissen

Kaum eine Branche wurde von der Corona-Krise so empfindlich getroffen wie der Tourismus. Experten rechnen mit einem Einbruch des weltweiten Geschäfts um 70 Prozent. (1) Die Tourismusbranche befindet sich durch zur Eindämmung der Pandemie als zwingend erforderlich erachteter und daher vollzogener politischer, juristischer, medizinischer, wirtschaftlicher und wirtschaftsgeographischer Maßnahmen in einer existenziellen Notlage. Es wurden Hotels geschlossen, Reisen im In- und ins Ausland untersagt, medizinische Versorgungskapazitäten erweitert und staatliche Hilfen an Veranstalter, Reisebüros, Beherbergungsbetriebe in Milliardenhöhe ausgezahlt, um nur einige kostenintensive Maßnahmen zu nennen. Ein Indikator für die bedrohliche Lage der Tourismusbranche ist, dass im April 2020 unter Berücksichtigung der Märzanzeigen mehr als 90% der Beschäftigten im Gastgewerbe zur Kurzarbeit angemeldet waren-deutlich mehr als in jeder anderen Branche. (2)

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung („Wirtschaftsweise“) rechnet in seinem Sondergutachten vom 22.März 2020 über die „Gesamtwirtschaftliche Lage angesichts der Corona-Pandemie“ mit einem Rückgang des Bruttoinlandprodukts um 2,8 Prozent. (3)

Das statistische Bundessamt hat jüngst die Entwicklung der Umsätze im Gastgewerbe von 2006 bis 2019 (immer gegenüber Vorjahr) den Umsätzen im Gastgewerbe von März 2019 bis März 2020 gegenübergestellt.

Über die Ergebnisse geben die Tabellen I. und II. präzise Auskünfte.

tabelle1 umsatzentwicklung im deutschen gastgewerbe bis 2019
Tabelle I

tabelle2 veraenderung des umsatzes im gastgewerbe bis april 2020
Tabelle II

 

Außerdem hat das Bundesamt in einer weiteren Statistik den Anteil der Unternehmen im Hotel- und Gastgewerbe in der Bundesrepublik Deutschland mit Umsatzrückgängen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie im Jahre 2020 festgehalten (Tabelle III.) sowie in einer weiteren Tabelle (Tabelle IV.) die Höhe der von Unternehmen im Hotel- und Gastgewerbe in der Bundesrepublik Deutschland gemeldeten Umsatzverluste durch das Coronavirus.

tabelle3 deutsche unternehmen im hotel gastgewerbe mit umsatzrueckgang durch coronavirus 2020
Tabelle III

Der HRS hat sich durch die besorgniserregende Entwicklung nicht daran gehindert gesehen, auch nach positiven Ergebnissen der Corona-Krise zu forschen:
Durch die Corona-Krise boomt im Jahr 2020 der Urlaub im eigenen Land. Präzise Aussagen hierüber enthält Tabelle V. Darin sind die beliebtesten Ferienregionen der Bundesrepublik Deutschland während der Corona-Krise nach durchschnittlicher Verfügbarkeit im Juli 2020 aufgeführt.Nord- und Ostseeregion weisen im Juli 2020 nur noch eine durchschnittliche Verfügbarkeit von rund 35 Prozent auf (Stand: Mai 2020). Damit sind diese Regionen die beliebtesten Ferienregionen für die Sommerferien 2020 innerhalb der Bundesrepublik Deutschland.

tabelle4 umsatzverluste im hotel und gastgewerbe durch das coronavirus in deutschland 2020
Tabelle IV

tabelle5 corona deutschlands beliebteste ferienregionen nach verfuegbarkeit im juli 2020
Tabelle V

Die Corona-Krise hält die Welt seit vier Monaten in Atem. Täglich verändern sich weltweit die Zahlen neu Infizierter. Es ist zurzeit nicht absehbar, wann die Krise endet. Der Versuch, die Krise in den Griff zu kriegen, dies dürften alle bisher durchgeführten Maßnahmen eindrucksvoll unter Beweis gestellt haben, kann nur durch interdisziplinäre Zusammenarbeit gelingen.

Zweifelsohne hofft die Weltbevölkerung am meisten auf eine schnelle, medizinische, d.h., in erster Linie virologisch-pathologische, Hilfe, geht es doch bei Covid-19 um eine Virusinfektionserkrankung, dann sind Impfstoffe gefragt. Jedenfalls war die erste Phase der Pandemie, gekennzeichnet durch Ausbruch und Verbreitung, vor allem eine medizinische Herausforderung. Die Aufgabe bestand zu allererst darin, Erkrankte nach Möglichkeit zu heilen.

Die Herausforderung besteht zwar aktuell fort, doch hat sich schnell gezeigt, dass ihre Erfüllung dringender, bislang in diesem Ausmaß noch nie erforderlicher, gesundheitspolitischer Sofortmaßnahmen bedurfte. Erinnert sei hier nur an die politische Entscheidung der Bundesrepublik Deutschland, die Krisenbeherrschung nicht mehr, wie bisher, den Bundesländern allein zu überlassen, sondern epidemische Lagen von nationaler Tragweite zur Staatsaufgabe zu machen. Diese Lage hatte der Bundestag wegen der Covid-19 Entwicklung förmlich beschlossen. Dadurch konnten schnell auch Bundesmittel freigegeben werden, um beispielsweise medizinische Versorgungskapazitäten zu erweitern. Auch ermöglichte diese Kompetenzzuweisung den Einsatz von Bundeswehrsoldaten.

Im folgenden Abschnitt (1.) werden einige bedeutsame politische Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Krise analysiert.

Zur Umsetzung politischer Maßnahmen bedarf es Parlamentsgesetze. Diese werden nicht erst seit der Corona-Krise von Bürgern, insbesondere von Juristen, kritisiert. Viele finden gesetzliche Einschränkungen wie Kontaktsperren und Ausgangsbeschränkungen unverhältnismäßig. Hoteliers werfen den Politikern vor, es sei unangemessen, Geschäftsleuten die Tür zu Hotels zu verschließen. (4) Dafür müssten sie entschädigt werden. Auch Versicherer müssten in die Pflicht genommen werden. Eine Analyse hierzu erfolgt in Abschnitt 2.

Rechtlicher Kritik schließen sich Wirtschaftswissenschaftler und Unternehmer dann gerne an, wenn durch Gesetze wirtschaftliche Einbußen hinzunehmen sind. Zwar sind sich Manager und Juristen längst nicht immer „grün“. Jean Paul hat mal behauptet: „Ein guter Manager macht aus jedem Problem eine Lösung, ein guter Jurist macht aus jeder Lösung ein Problem“ (5)
Doch sind sie in schwierigen Zeiten darauf angewiesen, interdisziplinär zusammenzuwirken. Das zeigt eine Analyse in Abschnitt 3. auf Grundlage einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft. In der Studie ging es um die Erforschung sozial- und rechtsstaatlich gebotener, dringend erforderlicher Wirtschaftsmaßnahmen zur Stützung der deutschen Tourismuswirtschaft in der Corona-Krise.

Zur Bewältigung der Pandemie mit Hilfe politischer, juristischer und wirtschaftlicher Maßnahmen ist zunehmend nicht nur eine Zusammenarbeit in diesen Disziplinen erforderlich und nicht nur das Knowhow von Ärzten, sondern auch das von anderen Experten. Dazu gehören sowohl medizinwissenschaftlich ausgebildete Geographen als auch Wirtschaftsgeographen, wie die Besetzung des wissenschaftlichen Beirats der Thüringer Landesregierung zur Corona-Pandemie belegt. Als Disziplin an der Schnittstelle zwischen Natur-, Medizin- und Gesellschaftswissenschaften leistet die Geographie einen wichtigen Beitrag zur Lösung drängender Probleme unserer Gesellschaft und spielt insofern gerade hinsichtlich des welterweiten Pandemiefolgenmanagements eine bedeutende Rolle. (6) In Abschnitt 4. folgen hierzu weitere Anmerkungen.

In Abschnitt 5.plädiert der Verfasser für die Fortführung eines interdisziplinären Krisenmanagements.

Der Beitrag endet mit einem Fazit in Abschnitt 6.


1. Anmerkungen zu politischen Maßnahmen in der Tourismuswirtschaft zur Eindämmung der Korona-Krise

Im Zuge nationaler politischer Maßnahmen hatten bis Ende April nahezu sämtliche Städte und Gemeinden durch Allgemeinverfügungen angeordnet, dass Hotels für Geschäftsreisende geschlossen bleiben mussten, um Ansteckungen zu vermeiden.

Hiergegen richtete sich ein verwaltungsgerichtlicher Eilantrag der Dorint-Gruppe. Der Eilantrag richtete sich nicht gegen die generelle Schließungsverfügung. Die Gruppe bemängelte vielmehr, dass zwar Übernachtungen und Nutzungen der Hotelzimmer zu nicht touristischen Zwecken untersagt seien, es aber sogenannten Schlüsselpersonen, „deren Tätigkeit der Aufrechterhaltung der Öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ oder der Aufrechterhaltung der ärztlichen und pflegedienstlichen Versorgungen der Bevölkerung dienen, erlaubt sei, in Hotels zu übernachten, nicht aber anderen Gästen. Während Hotels Berufsgruppen wie Ärzten, Krankenpfleger/innen, Feuerwehrleuten, Piloten oder Berufspolitikern offenstehen, dürften andere „Geschäftsreisende“ dort nicht übernachten.

Die beklagte Stadt hatte zunächst beim Verwaltungsgericht beantragt, den Eilantrag abzuweisen. Am 31.03.2020 rückte sie allerdings ohne Gerichtsentscheid von ihrer strengen Allgemeinverfügung zu Hotelschließungen ab und erlaubt es seitdem auch Geschäftsreisenden wieder, in Hotels zu übernachten.

Mit Ihrer Lockerungsmaßnahme für Geschäftsreisende lag die Stadt Köln insoweit auf einer Linie mit den Vorstellungen der politischen Mandatsträger der Landesregierung NRW, als sich das Gesundheitsministerium über die Lage der Hotelbranche in der Corona-Krise Gedanken gemacht hatte und schließlich am 20.04.2020 die „neue Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2“ verabschiedete. Darin wurde auch Geschäftsreisenden die Übernachtung in Hotels erlaubt. Dazu müssten die Hotelbetreiber geeignete Vorkehrungen zur Hygiene und zur Vermeidung von Warteschlangen gewährleisten. Die Schließung für Touristen und Geschäftsleute zog immense Verluste nach sich.

Während der TUI-Konzern einen Staatskredit in Höhe von 1,8 Milliarden Euro erhielt wegen der Einbrüche in der Tourismusbranche, warten kleinere Betriebe sowie Hotels mit insgesamt weitaus mehr Beschäftigten bislang auf eigene Hilfspakete. Der Bundesregierung wird vorgeworfen, keine ausreichende rechtliche Grundlage für die Absicherung von Kundengeldern durch Reiseveranstalter geschaffen zu haben. Dieses politische Versäumnis könnte der Grund dafür sein, dass sie nun finanzielle Risiken des Konzerns übernimmt. Die Maßnahme der Bundesregierung hat viel Kritik geerntet. Es gibt seit vier Jahren eine EU-Richtlinie, die vorschreibt, dass Reisende bei der Insolvenz des Veranstalters in vollem Umfang geschützt sind. Diese Richtlinie wurde von der Bundesregierung nicht so umgesetzt. Bei der TUI hatten Kunden hunderte Millionen Euro im Voraus entrichtet. Der Konzern hat aber nicht die volle Summe versichert, sondern lediglich 110 Millionen Euro. „Vollumfängliche Absicherung“ im Sinne der EU-Richtline heißt aber „in vollem Umfang“ und nicht in Höhe von maximal 110 Millionen.
Politiker sind derzeitig nicht zu beneiden. Wie wollen sie alles richtig entscheiden, wenn keiner weiß, wie lange die Corona-Krise wegen ihres Pandemieverlaufes insbesondere im weltweiten Reisegeschäft anhält?

Zum Glück gibt es in vielen Fällen juristische Möglichkeiten, um versäumte oder fehlgeschlagene politische Maßnahmen zu korrigieren.

2. Anmerkungen zu juristischen Maßnahmen in der Tourismuswirtschaft zur Eindämmung der Corona-Krise

„Das Recht muss nie der Politik, wohl aber die Politik jederzeit dem Recht angepasst werden“, erkannte einst Immanuel Kant.

Wie wahr diese Prämisse ist, dürfte die Corona-Krise mit ihren zahlreichen politischen Maßnahmen und deren empfindliche Auswirkungen auf die Tourismuswirtschaft einerseits und deren juristischer Korrekturen andererseits unter Beweis stellen. Um aber eins sofort klar zu stellen: Das bisherige Ausmaß der Corona-Krise hat die Weltpolitik vor Herausforderungen gestellt, deren Erfüllungen Fehler erlauben müssen. Die Erfüllungsversuche politischer Herausforderungen finden oft Ausdruck in der Verabschiedung sogenannter Generalklauseln, die von den Parlamenten in Gesetzesform erlassen werden. § 28 Infektionsschutzgesetz (IfSG) ist so eine Generalklausel. Darin wird den zuständigen Behörden (Städte, Gemeinden etc.) u.a. die Möglichkeit eingeräumt, zur Verhütung von Infektionskrankheiten beim Menschen „Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen zu beschränken oder zu verbieten“. Solche Klauseln sollen den Behörden dazu dienen, auf unvorhergesehene Gefahren auch mit im Grunde genommen näher regulierungsbedürftigen Maßnahmen vorläufig zu reagieren, um so dem Gesetzgeber zu ermöglichen, im weiteren Verlauf eventuelle Regelungslücken zu schließen.

Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit dem IfSG ein Gesetz zur Seuchenbekämpfung erlassen hat. Das ergibt sich aus der ursprünglichen Bezeichnung des jetzigen IfSG, es hieß früher Bundesseuchengesetz (BSeuchG). Aufgrund technischer, medizinischer sowie weiterer, interdisziplinärer Errungenschaften zur Vermeidung von Epidemien in den letzten Jahrzehnten, insbesondere durch die Entwicklung von Impfstoffen, dürfte der Parlamentsgesetzgeber, also politische Mandatsträger, nicht damit gerechnet haben, dass eine Epidemie durch ein neues Virus Ausmaße einnimmt wie durch das Coronavirus. Es wird auch zukünftig für Politiker schwierig sein, bei noch nicht hinreichend geklärter Ursachen- und Gefahrenlage Gesetze so zu formulieren, dass sie juristisch unangreifbar sind. Deshalb müssen solche Klauseln auch zukünftig als Rechtsgrundlagen zur Gefahrenabwehr dienen, allerdings jeweils nur vorübergehend. Je nach Fortschritt der wissenschaftlich begründbaren Einschätzbarkeit muss die Gültigkeitsdauer von Generalklauseln zur Wahrung des gesetzlichen Schutzes von Grundrechtspositionen sofort oder im Nachhinein eingegrenzt werden. Dies ist bei Beachtung strenger Verhältnismäßigkeitsmaßstäbe verfassungsrechtlich, also juristisch, nicht zu beanstanden. (7)
Das schließt nicht aus, dass zulässige, politische, auf Generalklauseln basierende Maßnahmen wie Hotelschließungen rechtliche Entschädigungsansprüche begründen. Ob diese Maßnahmen Entschädigungsansprüche nach sich ziehen, hängt davon ab, ob sie der Verhütung oder der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten dienen. Hotelschließungen sind in der Regel angeordnet worden zur Verhütung der Weiterverbreitung von Covid-19 Erkrankungen. Maßnahmen der Infektionsprophylaxe, also gegen Nichtstörer, das sind bspw. Hotelbesitzer, die ihr Hotel schließen mussten, auch wenn keine Infizierungen oder Infizierungsverdächtige nachgewiesen waren, führen nach vermehrter, juristischer Ansicht zu Entschädigungsansprüchen nach § 65 IfSG. (8) Noch ist zu dieser Problematik kein rechtskräftiges Urteil ergangen, es wird aber allgemein erwartet, dass die Gerichte Entschädigungen für in Anspruch genommene Nichtstörer als verfassungsmäßig geboten ansehen.

Im Falle des Vorliegens einer Betriebsschließungsversicherung haben sich die Versicherer bisher geweigert, Entschädigungsleistungen an Hotel- und Gastronomiebetriebe zu zahlen. Eine Leistungsverpflichtung gebe das IfSG nicht her. Das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 29.04.2020 – Aktenzeichen 11 O 66/20 dürfte aber zu einer Kehrtwende führen. In dem Urteil bestätigt das Gericht einen Versicherungsschutz bei behördlicher Schließungsanordnung aufgrund Covid-19. Bleibt für die Unternehmer zu hoffen, dass weitere wirtschaftliche Hilfen hinzukommen.

3. Anmerkungen zu wirtschaftlichen Maßnahmen in der Tourismuswirtschaft zur Eindämmung der Corona-Krise

Die Tourismusbranche lebt vom „Touren“. Freilich zählen hierzu auch Reisen in die Einsamkeit, regelmäßig bedeutet Touren aber, Land und Leute kennenzulernen, in Hotels zu relaxen, an Stränden zu baden oder Partys mit wildfremden Menschen zu feiern, Körperkontakte erwünscht. Die deutsche Tourismuswirtschaft ist insoweit früher, stärker und bereits länger als andere Wirtschaftszweige von der Covid-19- Entwicklung betroffen, da eine Eindämmung von Virusinfektionen im Allgemeinen und der Covid-19 Erkrankungen im Speziellen bei wissenschaftlich noch nicht geklärter Antizipierbarkeit des Gefahrenpotenzials dieser neuartigen Erkrankung zunächst auf die Vermeidung von Körperkontakten ausgerichtet sein muss.

Bis zur Corona-Krise gab es in der Bundesrepublik Deutschland eine verhältnismäßig gute Arbeitsmarktlage. Das lag auch an der Tourismuswirtschaft. Durch Reisebüros und Reiseveranstalter, Gastronomie, Hotellerie, Busreisebetriebe und Freizeitparks stehen Arbeitsplätze auch im für die Bundesrepublik infrastrukturell sehr bedeutsamen ländlichen Raum zur Verfügung. Insgesamt verzeichnet die Tourismuswirtschaft drei Millionen Beschäftigte. (9) Durch die neue Epidemie steht ein Großteil dieser Arbeitsplätze auf dem Spiel. Um gezielte Maßnahmen für ein Überleben der Branche herauszuarbeiten, hat der Bundesverband der deutschen Tourismuswirtschaft eine Studie an das Institut der deutschen Wirtschaft Köln Consult GmbH in Auftrag gegeben zur Erforschung dringend erforderlicher Handlungserfordernisse zur Stützung der deutschen Tourismuswirtschaft während der Corona-Krise. (Vgl.FN 2). Zu den größten Fachverbänden innerhalb der Tourismuswirtschaft zählen der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) sowie der Hotelverband Deutschland (IHA), die an der Studie teilgenommen haben.

Die Studie kommt zu folgendem Ergebnis:
1. Die Lage ist existenzbedrohend.
2. Die Tourismuswirtschaft benötigt schnellstens verbindliche Regeln für die Wiedereröffnung ihrer Geschäfte.
3. Weitere und der Situation angepasste staatliche Hilfen für 2020 und 2021 sind notwendig, wenn flächendeckende Insolvenzen oder Geschäftsaufgaben vermieden und damit die Zerstörung einer bisher intakten Branche verhindert werden soll.

Im Einzelnen hält das Institut der deutschen Wirtschaft die folgenden wirtschaftlichen Maßnahmen für erforderlich:
- wirtschaftliche Unterstützung durch staatliche Hilfe in Form der Erteilung von Gutscheinen mit Staatsgarantie anstelle von Rückzahlungen, sowie
- Finanzierung aus einem staatlich garantierten Rückzahlungsfonds.

Gutscheine haben den Vorteil, dass die mit den Leistungen verbundenen Umsätze nicht verloren gehen. Sie kosten keine Liquidität.

Bei Anlegung eines Rückzahlungsfonds werden alle Ansprüche der Kunden gesammelt und aus einem staatlich garantierten Fonds erfüllt. Dazu stellt die Tourismuswirtschaft mit Unterstützung des Staates entsprechende Finanzmittel zur Verfügung. Die Kunden bekommen ihre fehlgeschlagenen Leistungen aus dem Rückzahlungsfonds erstattet. Die Unternehmen klären dann ihre Ansprüche untereinander und stellen die Forderungen zusammen, die noch offen sind. Diese Rückzahlungsforderungen sollen mit Hilfe von langfristigen, zinslosen Krediten (Derzeitige Schätzung:10 Milliarden) getilgt werden.

Hinzukommen sollen nach dem Ergebnis der Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Erleichterungen für das Wiederhochfahren des Tourismus durch vier Maßnahmen, die bis weit in das Jahr 2021 hineinreichen sollen:
-Fortsetzung des Kurzarbeitergeldes
-Förderung durch KfW-Kredite
-Steuererleichterungen
-Rettungsfonds

Die erhofften, wirtschaftlichen Unterstützungsmaßnahmen für die Tourismusbranche dürften wegen deren globaler, wirtschaftlicher Verflechtungen auch auf Zuspruch durch die Europäische Union stoßen und bei der Ausgestaltung des Wiederaufbauplans für die Zeit nach der Corona-Krise Berücksichtigung finden. Immerhin soll nach dem Willen des EU-Parlaments ein Finanzpaket in Höhe von zwei Billionen Euro geschnürt werden, wodurch auch die Tourismuswirtschaft Unterstützung erfahren dürfte.
Die Ausdehnung der Covid-19-Erkrankungen als Pandemie erfordert eine globale Zusammenarbeit in Form eines Pandemiefolgenmanagements. Dabei geraten zunehmend auch geographische Analysen in den Blickpunkt. (10)

4. Anmerkungen zu geographischen Maßnahmen in der Tourismuswirtschaft zur Eindämmung der Corona-Krise

Die Tourismusindustrie bzw.-wirtschaft als Untersuchungsgegenstand wirtschafts- und kulturgeographischer Forschung wurde lange Zeit nur stiefmütterlich behandelt. Das mag damit zusammenhängen, dass sich die Tourismusökonomie als solche nicht eindeutig von den originären Forschungsfeldern der Wirtschaftswissenschaft abgrenzen lässt, wie die Außenhandelsstatistiken verdeutlichen. (11) Dessen ungeachtet dürfte die Produktionsseite oder „supply side“ der Tourismusbranche ein attraktives Analysefeld bieten, da immer mehr touristische Unternehmen länderunabhängig bzw. länderübergreifend agieren. Dies gilt bspw. für die deutschen Reiseveranstalter TUI und Thomas Cook, aber auch touristische Schlüsselzulieferer wie American Airlines oder die amerikanische Hotelkette Holiday Inn.(12)

Der gesamte Globus hat sich mehr und mehr zu Tourismusproduzent, Tourismusprodukt und gleichzeitig zu einem touristischen Nachfragemarkt entwickelt. Gerade der grenzüberschreitende Tourismus in seiner dynamischen, räumlichen Vernetzung spürt die Auswirkungen globaler Ereignisse vor dem Hintergrund dieser Verschmelzungen sofort. Uns allen sind noch die 9/11-Ereignisse in Erinnerung geblieben, die zu einem weltweiten Gästeschwund geführt haben, was nicht nur an der Angst der Passagiere vor weiteren Anschlägen lag, sondern auch an ersatzlos gestrichenen Flügen.

Mit Beginn der Corona-Krise in China wurden ähnliche Reaktionen in Gang gesetzt. Erstmals im Dezember 2019 traten in der chinesischen Stadt Wuhan gehäuft Lungenentzündungen auf und am 7. Januar wurde der neuartige Verursacher unstrittig identifiziert. Das Virus wurde von der Weltgesundheitsorganisation WHO mit dem offiziellen Namen „COVID-19 Virus“ (Coronavirus Disease 2019) bezeichnet. Seitdem wurde die Welt in Atem gehalten, und es zeichnete sich ab, dass der Versuch einer Eindämmung des rasenden Infektionsverlaufs nur interdisziplinär möglich ist.

Schnell war auch die Geographie mit im Rennen um die Beherrschung der Pandemie, insbesondere die Medizin-Geographie. Sie stellt u.a. eine Schnittstelle zwischen geographischer und medizinischer, insbesondere epidemiologischer Forschung dar und besitzt im Vergleich zu anderen Teilgebieten der Geographie einen hohen Anwendungsbezug. Sie entwickelte sich als eigenständige Disziplin aus der Tropenmedizin und ist folglich für die Tourismusbranche forschungsgegenständlich nicht wegzudenken. Die medizinische Geographie trägt dazu bei, die Öffentlichkeit über den Pandemieverlauf aufzuklären. Jede Berichterstattung zieht den raumbezogenen Aspekt mit ein, die Frage nach dem Ort ist bei Epidemien von zentraler Bedeutung. Sämtliche signifikanten Daten werden permanent räumlich und zeitlich nach Ländern aktualisiert und unter anderem in einer Karte der John Hopkins University veröffentlicht, wie auf der nächsten Seite zu sehen ist. Die kartographische Darstellung von Krankheitsverläufen als zentrale Aufgabe der Medizinischen Geographie hat längst Einzug in den Alltag gehalten. Die geographiewissenschaftliche Beteiligung an der Eindämmung der Infektionen geht aber weit über deskriptive Darstellungen hinaus. Die Infektionsketten werden analysiert, um geographische Methoden einsetzen zu können, mit Hilfe derer beispielsweise Mobilitätsverläufe untersucht werden können oder um die räumliche Organisation des Gesundheitssystems zu verbessern.

tabelle6 corona tourismus

Schließlich untersucht die geographische Gesundheitsforschung gesellschaftliche Probleme, die die Pandemie verursacht. Es wird überprüft, ob und wie die Pandemie Orten eine veränderte Bedeutung zuweist. (13) Damit verbunden sind die Erforschungen von Stigmatisierungsprozessen in Orten mit hohen Infektionszahlen (Heinsberg, Gütersloh etc.) oder in kulturellen Einrichtungen wie Theater oder in touristischen Einrichtungen wie Hotels. So liefert die Geographie einen bedeutenden Beitrag auch zur Eindämmung des Corona-Verlaufs in der Tourismuswirtschaft, und dies, für eine erdkundliche Wissenschaft vielleicht selbstverständlich, global.

5. Plädoyer für ein interdisziplinäres Krisenmanagement

Als Folge der Corona-Krise droht einer Million Unternehmen der europäischen Reiseverkehrswirtschaft die Pleite. Diese Vermutung ist nicht an den Haaren herbeigezogen, sondern sie wurde am 18.06.2020 von Kerstin Jona, Generaldirektorin für Binnenmarkt und Industrie der Europäischen Kommission, auf einer Sitzung des Tourismusausschusses geäußert. Nach ihren Worten könnten europaweit sechs Millionen Beschäftigte der Branche den Arbeitsplatz verlieren, wenn die EU nicht energisch gegensteuere. Dabei spiele die Bundesrepublik Deutschland nicht nur wegen der deutschen Ratspräsidentschaft mit Beginn der zweiten Jahreshälfte als „Brennstoffzelle“ des europäischen Tourismus eine entscheidende Rolle. Im Jahre 2018 gingen in Europa 108 Millionen Übernachtungen auf das Konto deutscher Touristen. Die zweitplatzierten Franzosen brachten es auf gerade mal 53 Millionen Übernachtungen. Nach Jona habe die Corona- Krise das Hotelgeschäft in Europa um mehr als die Hälfte reduziert. (14)

Für die zweite Jahreshälfte unter deutscher Ratspräsidentschaft wurde ein „Europäischer Tourismuskonvent“ ins Leben gerufen. Ziel ist unter anderem die Entwicklung einer langfristigen Strategie für den europäischen Tourismus und ein verbessertes Krisenmanagement, das aus bisherigen Versäumnissen Konsequenzen zieht und welches sich insbesondere durch Interdisziplinarität effizienter gegen Katastrophen und Pandemien wappnen möchte.

Ein großer Unterschied zwischen den Krisen von 2008 und der Corona-Pandemie ist in der Tat die fehlende Koordination zwischen den Disziplinen, deren Maßnahmen zu Pandemie-Eindämmungen führen soll. Die Krise im Jahre 2008 basierte auf den Einbrüchen internationaler Finanzmärkte. Diese Tatsache rief für ein passendes Krisenmanagement vernünftigerweise nahezu ausschließlich Volkswirtschaftler auf den Plan. Überwiegend politische oder juristische oder medizinische oder wirtschaftsgeographische Maßnahmen zur Krisenbewältigung wie in der Corona-Krise waren nicht gefragt, sie mussten folglich auch nicht koordiniert werden. (15) Dass die angestoßene interdisziplinäre Koordination zur Bewältigung der Corona-Pandemie noch nicht vollends gelingen konnte, liegt einzig und allein daran, dass die Welt mit dem Ausmaß der Covid-19 Erkrankungen in keiner Weise gerechnet hat und sich folglich hierauf nicht prophylaktisch wie auf Erdbeben oder Überflutungen oder mittlerweile auch auf terroristische Anschläge vorbereitet hat.

Ein bisher nie dagewesenes, weltweites Infektionsausmaß wie das der Corona-Pandemie hat insbesondere die Hotellerie- und Gastronomiebranche im vollen Lauf von den Beinen geholt. Es gab keinerlei unternehmerische Erfahrungswerte, auf die die Branche hätte zurückgreifen können. Hinzu kommt, dass das Gastgewerbe extrem kleinständisch und nicht einmal mittelständisch strukturiert ist. Legt man an die Hotellerie-Branche die Größenklassifikationen des Handels- und Gesellschaftsrechts für Kapitalgesellschaften an, so stellt man fest, dass knapp 95 % aller Hotelunternehmen in der Bundesrepublik Deutschland, am Umsatz gemessen, zu den kleinen Gesellschaften gehören. (16)

Dass eine organische Struktur, mit 140 Nanometer deutlich kleiner als ein Bakterium und noch nicht einmal ein Lebewesen, Gesellschaft und Wirtschaft lahmlegen würde, war undenkbar. Zwar verwiesen Katastrophenexpertinnen und -experten seit Jahren auf die Risiken neuartiger, global wirksamer Infektionsquellen. Bisherige Pandemieverläufe offenbaren jedoch regelmäßig Nachlässigkeiten und mangelnde Sensibilität bei der Katastrophenprävention und -intervention, sodass der Verweis auf Risiken und Gefahren durch Epidemien umso bedeutsamer erscheint. Indes widersprechen marktwirtschaftliche Logiken der Effizienzsteigerung nun mal der kostenintensiven Bereitstellung und Instandhaltung teurer, ungenutzter Geräte und Schutzkleidung zur Pandemieeindämmung, ganz zu schweigen von intensivmedizinischen Behandlungsstationen.. Die „unsichtbare Hand“ des Marktes kann dies Schutzfunktion nicht übernehmen, denn in der Krise entsteht unvermittelt eine extrem hohe Nachfrage. (17)

Es trifft bekanntermaßen zu, dass eine freie Marktwirtschaft auch schnell und flexibel auf diese Nachfrage reagieren kann. Katastrophenprävention und -intervention inkl. humanitärer Nothilfe durch NGO sind selbst längst zu einem bedeutenden Markt geworden. Deutlich zu erkennen war aber auch, dass der Markt zu allererst mit enorm steigenden Preisen für die raren Produkte reagiert und dadurch die öffentlichen Ausgaben ebenfalls wachsen, wie die Knappheit von Toilettenpapier zeigte und der „Erfolg“ der „Hamsterinnen“ und „Hamster“ zuweilen bedauerlicherweise auf der Hand lag.

Auf der Hand liegt es auch, dass Wirtschaftsakteure nur dann interessendeckend agieren können, wenn die wirtschaftlichen Tätigkeiten nicht durch Infektionsschutzmaßahmen wie Ansammlungsverbote eingeschränkt werden.

Die Corona-Krise dürfte insofern dazu geführt haben, dass sich der Staat nun zunehmend in der Verantwortung sieht und zukünftig erforderliche und angemessener Präventionsinstrumente vorhält.
Am Beispiel der ursprünglichen Schließungen der Hotels und sodann erfolgter Aufhebung der behördlichen Schließungsverfügungen für Hotels lässt sich verdeutlichen, wie wichtig ein interdisziplinäres Krisenmanagement für die Tourismusbranche ist.

Ausbruch und Verbreitung des Virus war zu allererst eine gesundheitspolitische Herausforderung. Es musste alles dafür getan werden, dass Infizierten medizinisch geholfen werden konnte. Dazu gehören die Sicherstellung ausreichender Intensivversorgungskapazitäten und schnelle, virologische Erkenntnisse über die Infektionsursachen der Covid-19-Erkrankungen.

Da Übertragungswege noch nicht eindeutig geklärt waren und die Todesrate stieg, musste die Politik umfassende Körperkontaktverbote anordnen. So mussten Hotels schließen. Als medizinische Untersuchungen ergaben, dass das Virus nicht durch Schmier- oder Lebensmittel oder Wasserinfektion übertragen wird, sondern durch Tröpfcheninfektion, halfen Juristen den Hotelbetreibern, Schließungsmaßnahmen zu lockern. Dass es sich hierbei um ein konzertiertes, interdisziplinäres Krisenmanagement unter Medizinern, Politikern und Juristen handelte und nicht jede Disziplin stur an ihren originären Schutzmaßnahmen um jeden Preis festhalten wollte, sondern offen war für interdisziplinäre Argumente , lässt sich dadurch belegen, dass zum Beispiel die Stadt Köln, also die Politik, nicht abwartete, bis das Gericht über den Eilantrag der Dorint-Gruppe auf Erlaubnis der Wiedereröffnung ihrer Hotels für Geschäftsreisende entschied, sondern die Schließungsverfügung von sich aus aufhob, weil sie die juristischen sowie die wirtschaftlichen Argumente der Hotelgruppe überzeugten.

Die Interdisziplinarität des Krisenmanagements sollte anhalten, die Pandemie ist noch lange nicht unter Kontrolle. Für die Tourismusbranche mit ihrer globalen Ausrichtung bedeutet dies, dass auch geographische Pandemieforschungen erforderlich sind, um die Covid-19- Erkrankungen weltweit einheitlichen Eindämmungsstandards gegenüberzustellen. (18) Dazu müssen Geographen nicht nur Karten erstellen, sondern auch internationale Versorgungswege und internationale Versorgungsstandorte entwickeln. Hinzu kommt die kulturgeographische Erfassung und Therapie von Stigmatisierungsverläufen, die zuletzt aufgrund der Infektionshäufung in Betrieben der Fleischindustrie europaweit in Gang gesetzt wurde.

6. Fazit

Die bisherigen medizinischen, insbesondere virologischen und pathologischen Maßnahmen und Forschungsergebnisse haben gefruchtet. Sie haben Kompetenzen erzeugt, die uns in die Lage versetzen, neue Krankheitsverläufe zu erkennen, zu beurteilen und einzudämmen.

Das ist auch der Interdisziplinarität der Pandemieforschung zu verdanken. Trotz des globalen Ausmaßes der Corona-Krise dürfte sich bestätigt haben, dass interdisziplinäre Interventionsmaßnahmen der Bundesrepublik Deutschland sich nicht unterscheiden von Konzepten, wie sie weltweit zum Einsatz kommen, wenn Epidemien oder Pandemien drohen. Die wiederkehrenden Schemata für Prävention und Intervention erfassen zwei Phasen:
In einer ersten Phase einer (dann noch als potentiell veranschlagten) Epidemie gilt es, die Krankheit früh zu erkennen und einzudämmen („detection“ und „containment“). Diese Phase hat die Bundesrepublik Deutschland längst durchlaufen.

In der jetzigen zweiten Phase geht es noch darum, besonders anfällige Gruppen zu schützen („protection“) und die negativen Auswirkungen von Covid-19 Erkrankungen zu minimieren („mitigation“). Dabei spielt die sogenannte „Reproduktionszahl“ eine entscheidende Rolle, der Begriff dürfte mittlerweile jedem geläufig sein:
Ist diese kleiner als eins, dann steckt jeder Infizierte im Durchschnitt weniger als eine andere Person an und die Erkrankungen ebben ab.

Auch die sogenannte „Herdenimmunität“ dürfte mittlerweile zum Alltagswortschatz vieler Menschen gehören:
Wenn ein großer Teil eine Infektion durchlaufen hat und immun geworden ist, wird sich die Krankheit nicht mehr folgenschwer ausbreiten können. Die Ausbreitung muss verhindert werden, damit das Gesundheitssystem nicht kollabiert. Die derzeitigen, zwar gelockerten, aber immer noch spürbaren Einschränkungen (Maskentragen, Versammlungsbeschränkungen, Quarantäne etc.) dienen immer noch diesem Zweck und sind bislang erfolgreich.
Da es gelungen ist, die Reproduktionszahl massiv zu senken, wird einerseits daran gedacht, wieder in die Containment-Phase zurückzukehren, andererseits mehren sich Stimmen für die Fortführung der „Mitigation“. (19)

Die Befürworter des Containments müssen sich vor Augen halten, dass es bei diesem Lösungsweg gelingen muss, jede neu infizierte Person zu isolieren und alle sozialen Kontakte, bei denen eine Ansteckung Anderer stattgefunden haben könnte, lückenlos nachvollziehen zu können.
Sollte dieses „Aushungern“ der Covid-19-Erkrankungen gelingen, bestünde dennoch die Gefahr, dass sich das Virus aufgrund von Nachlässigkeiten oder Rücksichtslosigkeiten einzelner Personen oder durch Einschleppung von außen erneut ausbreiten könnte. Lockerungen im öffentlichen Leben wären dann nicht realisierbar. (20)

Setzt man auf die Fortführung der sogenannten „Migation“, dann erklärt man sich einverstanden mit einem geringen Anstieg der Reproduktionszahl, solange das Gesundheitssystem diesen beherrschen kann. Insofern erlaubt aber auch dieses Konzept keine großen Lockerungen der Präventionsmaßnahmen. Ziel wäre hier die „Herdenimmunität“, die allerdings erst nach langer Dauer, möglicherweise nach Jahren, erreicht werden könnte. Eine solche Dauer wäre gesellschaftlich und ökonomisch nach derzeitigem Kenntnisstand kaum zu verkraften.

Der Unterschied zwischen einem Containment und einer sukzessiven „Durchseuchung“ bei unabdingbarer Senkung der Negativfolgen besteht darin, dass beim Containment jede Ansteckung vermieden werden muss, während „Migation“ eine gewisse Ansteckungsrate sogar erwünscht.
Da in beiden Fällen die Reproduktionskennziffer geringgehalten werden müsste, könnte man meinen, die Unterscheidung sei reine Makulatur. Davon kann aber keine Rede sein, denn „Containment“ und „Migation“ verlangen sehr unterschiedliche Maßnahmen zur Krisenbewältigung.

Eine Eindämmung erscheint prima vista als humanere Methode, da sie versucht, Ansteckungsgefahren zu vermeiden. Im Ergebnis macht sie aber eine lückenlose Überwachung der Bevölkerung erforderlich. Erste Schritte dahin sind durch die Einführung einer entsprechenden „App“ gemacht worden. Nicht nur Infizierte, sondern alle, die sich diesen Personen innerhalb eines begrenzten, zurückliegenden Zeitraums „genähert“ hatten und damit unter Verdacht stehen, infiziert oder infektiös zu sein, müssten Zwangsmaßnahmen unterzogen werden, möglicherweise so lange, bis ein Impfstoff entwickelt wäre, da schließlich die Gefahr eines erneuten Aufkeimens der Infektionen besteht.

Bei der zweiten Lösung, dem Versuch der Minimierung der Negativfolgen der Covid-19 Erkrankungen, könnte man zwar auf die beschriebenen Zwangsmaßnahmen verzichten. Es würde aber in Kauf genommen, dass viele an Covid-19 erkranken, wenngleich der Bestand des Gesundheitssystems gewährleiste wäre.
Es erscheint unmöglich, sich überzeugt für Strategie 1 oder Strategie 2 zu entscheiden. Die Frage nach der Bedeutung von Krankheit ist wahrscheinlich nur höchstpersönlich beantwortbar. Gehören Erkrankungen zum Leben oder soll man ihnen als Feind begegnen? Wo liegt die Grenze zwischen der Gewährleistung eines „guten“ Lebens einerseits, wie es im Übrigen auch die WHO in ihrer Definition des Begriffs der „Gesundheit“ beschreibt, und dem Schutz des nackten „Über“lebens, dem von Biomedizinern offensichtlich absoluter Vorrang eingeräumt werden soll? (21)

Bleibt die Hoffnung auf einen Impfstoff, daran arbeitet die „Welt“ interdisziplinär auf „Hoch-Touren“. Deshalb wird er kommen!


Über den Autor
Der Verfasser, Dr. jur. Karl-Heinz Welter, hat Wirtschaftsgeographie und Rechtswissenschaften an den Universitäten Bonn, Köln und Saarbrücken studiert und lehrt an der Hochschule Fresenius in Köln im Studiengang Tourismus-, Hotel- und Eventmanagement u.a. Reiserecht.


Fußnotenverzeichnis
(1) www.deutschlandfunk.de/corona-erkenntnis-sehnsucht-tourismus.724.de.html
(2) Institut der deutschen Wirtschaft Köln Consult GmbH: IW CONSULT, Handlungserfordernisse zur Stützung der deutschen Tourismuswirt. Eine Studie für den Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft, Köln, 14.05.2020
(3) Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Die Gesamtwirtschaftslage angesichts der Corona-Pandemie, Sondergutachten, Wiesbaden, 22.03.2020
(4) Welter, Karl-Heinz, Corona-Krise. Städtische Allgemeinverfügungen zu Hotelschließungen auf dem Prüfstand, ZVR-Online Dok. 05/2020, online seit 09.06.2020
(5) Jean Paul, frei nach Jean Paul
(6) Hilbert, Claudia, Corona-Beratung für die Thüringer Landesregierung. Prof. Dr. Sebastian Henn ist in Wissenschaftlichen Beirat zur Corona-Pandemie berufen worden, Universität Jena, Meldung vom 27.05.2020
(7) BverfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 08. November 2012 – 1BvR 22/12 – Rdnr. 25
(8) www.gvw.com/blog/corona/entschaedigung-wegen-betri...n-ein-gebot-desverfassungsrechtlich-verankerten-verhaeltnis.html
(9) BTW Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft: Coronavirus, Die aktuelle Situation und die dramatischen Folgen für die Tourismuswirtschaft
(10) Die Corona Pandemie: ein Forschungsgegenstand der Geographie? Geographie.de2020/04/09/die-corona-pandemie-ein-forschungsgegenstand-der-geographie/
(11) Dörry, S., Globale Wirtschaftsketten im Tourismus, S. 16,17, Münster 2008
(12) Dies., a.a.O., S.17
(13) Arbeitskreis Medizinische Geographie und Geographische Gesundheitsforschung in der Deutschen Gesellschaft für Geographie, Newsletter 1/2020, S.1
(14) BTW Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft, Branchen-News vom 18.06.2020: EU-Kommissarin Jorna: Europäischem Tourismus droht Pleitewelle-6 Millionen Arbeitsplätze bedroht
(15) Wirtschaftsdienst, Analysen und Berichte, 100. Jahrgang, 2020, Heft 4, S.266-271: Corona-Krise: Wirtschafts-)politische Perspektiven
(16) tophotel.de/interview-mit-prof-marco-gardini-unterschatzte-risiken-drohendes-preisdumping-und-die-dominanz-der-systemmarken-59292/
(17) Krüger, F., Geiselhart, K., Warum eine Geographie der Pandemie wichtig ist, Institut für Geographie, FAU Erlangen-Nürnberg, 19.Juni 2020
(18) Wiley online library, Verena Brinks, From Corona Virus to Corona Crisis: The value of an analytical and geographical Understanding of crisis, 09.Juni 2020
(19) Krüger, F., Geiselhart, K., a.a.O.
(20) Krüger, F., Geiselhard, K., a.a.O.
(21) Krüger, F., Geiselhard, K., a.a.O.

 


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