Die Zukunft der Hotellerie sind Lifestyle-Hotels

Interior Designer Andreas Neudahm, Foto: Neudahm Hotel Interior Design GmbH

Design/Ambiente

Der europäische Hotelmarkt boomt: Über 440 neue Hotelprojekte sind derzeit europaweit in Bau mit insgesamt 71.000 Hotelzimmern (Januar-Report 2017 des Hotel-Marktforschungsunternehmens STR). Um sich in diesem stark wachsenden Markt gegen Mitbewerber behaupten zu können, brauchen Hotelgruppen Konzepte, die herausstechen und sich gleichzeitig nachhaltig bewähren. Neben technischen Gadgets und Neuerungen kommt dem Look & Feel eine immer größere Bedeutung zu – das Design der Häuser und die Markensprache werden zunehmend zum Entscheidungskriterium für Gäste. Experte auf diesem Gebiet ist der international renommierte Interior Designer Andreas Neudahm, der seit mehr als 25 Jahren internationale Projekte verwirklicht und weiß, worauf es in Zukunft im heiß umkämpften europäischen Hotelmarkt ankommen wird.

INTERVIEW

Sie arbeiten seit über 25 Jahren als Hotel Interior Designer: Was war für Sie die wichtigste Erkenntnis während Ihrer langen Laufbahn?

Andreas Neudahm: Dass sich der Markt rasend schnell weiterentwickelt: Früher ging es bei der Hotellerie nur um die Übernachtung. Heute will der Gast passende Gastronomie, Barmöglichkeiten, den Austausch mit Menschen – er will unterhalten werden.
Auch das digitale Zeitalter verändert die Hotellerie. Heute bucht der Gast vor allem über das Internet, er kennt das Hotel und die Zimmer von der Webseite – er weiß vorab, was er bekommt. Den Überraschungseffekt von früher gibt es heute nicht mehr.

Funktionalität ist bei Ihren Kreationen enorm wichtig: Kommt da die DNA des Möbeldesigners wieder durch?

Andreas Neudahm: Ohne das, was ich gelernt habe, könnte ich gar nicht das machen, was ich heute tue. Für Privatleute könnte ich vielleicht etwas Wahnwitziges entwerfen und natürlich steht am Anfang immer das Design. Aber ein Gegenstand ist nur dann gut, wenn er funktioniert. Es gibt nichts Schlimmeres, als ein Stuhl, der genial aussieht, aber unbequem oder sogar unbrauchbar ist. Dann würden wir nichts verkaufen können.

Woran erkennt man einen „echten Neudahm“? Haben Sie ein Markenzeichen?

Andreas Neudahm: Ich versuche stets, etwas neu zu kreieren. Ich kopiere mich nicht selbst. Daher habe ich nicht das eine Markenzeichen. Wenn man sagt: Das ist ein typischer Neudahm, dann hieße es ja, dass ich etwas bereits Bekanntes fortsetze. Das ist aber nicht der Fall. Mein Stil ist stets abhängig davon, wie ich mich weiterentwickle. Das ist ein Schaffungsprozess. Ich versuche lediglich Tradition mit Moderne und Zeitgeist zu vereinen: Und das erkennt einer, der sich mit mir und dem Design-Fach beschäftigt.

Kann die „persönliche Stilsprache“ auch eine Herausforderung für Kunden darstellen?

Andreas Neudahm: Ich habe nach fast 28 Jahren im Geschäft und über 450 designten Hotels und öffentlichen Gebäuden das Glück, dass die Kunden auf mich zukommen, da sie meine Projekte kennen und mir vertrauen. Insofern ist mein Stil meine Referenz.Aber am Ende muss und will der Kunde mit meinem Produkt Geld verdienen. Daher darf das eigene Ego gar keine große Rolle spielen.
Auf der anderen Seite muss ich manchmal auch mein Ego einbringen, da ich ja vertrauensvoll dem Kunden entgegentreten will. Das ist wie ein Blind Date auf beiden Seiten. Und da spielt ein Hauch Ego durchaus eine Rolle.

Hand aufs Herz: Wie viel eigene Kreativität kann man bei einem Projekt mit einfließen lassen?

Andreas Neudahm: Da viele Kunden auf mich zu kommen, lassen sie mir meist auch den Freiraum, meine Kreativität auszukosten. Das ist großartig, hat aber auch seine Grenzen: Von 100 Leuten mögen etwa 99 Prozent unser Design. Denn wir sind keine Exoten, wir machen etwas, was „für das Volk steht“. In einem Hotel kommen alle Religionen und Altersklassen zusammen. Unser Anspruch ist es, eine Schnittmenge zu finden. Ich habe zwar die kreative Freiheit, stehe aber auch extrem unter dem Druck, etwas zu fertigen, was bestenfalls allen gefällt.

Stichwort: Mut zur Nische – würden Sie Hotels dazu raten? Und warum?

Andreas Neudahm: Absolut. Dazu würde ich raten. Allerdings nur, wenn dahinter ein klares Gesamtkonzept von beiden Seiten steht, Designern und Betreibern. Ich kann als Interior-Designer ein Hotel nur so gut planen, wie es später von den Operations betrieben wird. Als Beispiel: Ich kann keinen Raum planen, der mit 100 Kerzen ausgestattet wird und nur mit natürlichen Lichtquellen beleuchtet werden soll, wenn der Hotelier nicht jeden Abend die Kerzen austauscht und anzündet. Die Nische funktioniert nur dann, wenn das Konzept dahinter bis ins Detail geplant ist.

Sie sind Vielreisender: Wie viele Tage im Jahr sind Sie unterwegs?

Andreas Neudahm: Jeden Tag. Auch an den Wochenenden. Denn in meiner Freizeit reise ich ebenfalls gerne. In der Woche fliege ich mindestens sieben Mal, nicht selten auf drei Kontinenten. Fliegen ist Teil meiner Arbeit, die Hotels kommen nicht zu mir. Seit über 12 Jahren bin ich HON Mitglied bei der Lufthansa – und der Düsseldorfer Flughafen ist wie ein Teil meines Büros.

Wie stark unterscheiden sich die Wünsche der Kunden je nach Land, in dem Sie arbeiten? Stellen Sie da Unterschiede fest?

Andreas Neudahm: Meine Kunden sind meist international aufgestellt. Daher habe ich selten Kunden, die dann spezielle, lokale Wünsche haben. Im Gegenteil: Beispielsweise arbeiten wir gerade an einem Hotel in Madagaskar. Der Kunde wünscht aber kein regionales Design, sondern europäischen Chic aus Frankreich, Italien, Benelux und Deutschland.
Dennoch versuche ich immer den Mikrostandort in meine Arbeit mit einzubeziehen – auch wenn es sich um ein Haus einer internationalen Kette handelt. Vor einiger Zeit habe ich ein Leonardo Hotel am Toten Meer entworfen und realisiert. Es ist immer noch das beste Luxus Resort in der Region. Wir arbeiteten mit viel Glas, Türkis und Licht und mit Materialien, die in der Haptik an Salzoberflächen erinnerten, um so den Mikrostandort subtil wieder aufzugreifen.

Wie stellt man sich auf die unterschiedlichsten Bedürfnisse ein? Folgen Sie da einem Ansatz?

Andreas Neudahm: Reisen. Das ist der Schlüssel. Permanent unterwegs zu sein, permanent zu sehen, wie sich die Hotels in den unterschiedlichen Kulturen weltweit entwickeln. Ich sehe auf meinen Reisen die Menschen der jeweiligen Länder: wie sie sich bewegen, wie sie sich kleiden, wie sie miteinander reden und umgehen. Ich esse koscheres Essen, sehe verschleierte Frauen und treffe auf Männer mit Cowboyhüten. All diese Eindrücke sauge ich auf. Daraufhin überlege ich mir: Wie kann man diese unterschiedlichen Menschen in einem Hotel zusammenbringen, in dem sich alle wohl fühlen? Und von diesem Grundgedanken aus beginne ich konzipieren.

Wie behält man bei so vielen unterschiedlichen Kunden, die Sie teilweise zeitgleich betreuen, den Überblick?

Andreas Neudahm: Ich bin bei all meinen Projekten mit am Prozess beteiligt. Wenn man etwas selbst macht, dann behält man ganz automatisch den Überblick. Wäre ich nicht ein Teil des Teams der Projektbetreuung, könnte ich auch nicht überall eine Antwort geben, wenn sie gefordert ist: Da aber jedes Hotel auch mit mein Baby ist, ist das gar nicht so schwer.

Das heißt, sie legen überall noch selbst Hand an?

Andreas Neudahm: Ja. Ich bin immer bei den Präsentationen dabei – immerhin stecke ich hier mein Herz und meine Seele mit rein. Und natürlich am Ende, bei der Abnahme. Währenddessen ist es die Aufgabe von meinen Mitarbeitern, das technische Tagesgeschäft voranzutreiben. Für manche Arbeiten wäre ich auch einfach der Falsche, ich bin der Konzeptionalist, nicht beispielsweise der Techniker.

Ihre Projekte liegen an den unterschiedlichsten Orten der Welt, sind eingebettet in den unterschiedlichsten Kulturen. Wie können Sie das parallel handlen und gab es mal ein besonderes Ereignis?

Andreas Neudahm: Immer wenn ich ein neues Projekt annehme, beschäftige ich mich zuvor intensiv mit der gesamten Kultur vor Ort. Dann erkenne ich einen Teil des Landes auf einmal als meine Heimat. Wussten Sie zum Beispiel, dass es in Madagaskar noch bis vor wenigen Jahrzehnten Menschenfresser gab? (lacht)
Kürzlich war ich in Bilbao, dort traf ich auf einen zukünftig für mich wichtigen Geschäftspartner, der einige wichtige Positionen in der Stadt einnimmt. Ich war innerhalb kürzester Zeit Teil der Gesellschaft vor Ort. Das war wahnsinnig interessant. Über solche Erlebnisse würde ich gerne mal ein Buch schreiben.

Was hindert sie daran?

Andreas Neudahm: Die Zeit an meinem bereits bestehenden Script weiter zu arbeiten. Aber vielleicht mache ich das noch...

Welche aktuellen Projekte betreuen Sie gerade?

Andreas Neudahm: Unsere Projekte sind immer sehr abwechslungsreich: An einem Tag geht es um ein Konferenzhotel an einer Messe, am nächsten um ein Boutiquehotel in einem denkmalgeschützten Gebäude. Momentan habe ich die Möglichkeit, drei zusammengehörende Strandhotels auf Zypern in einen modernen Ferienclub umzugestalten. Zudem entschied ich mich kürzlich, eine in Deutschland führende Fitnesskette neu zu designen, weil ich das spannend finde.
Und erst vor kurzem haben wir das Mailänder Lifestyle Hotel NYX eröffnet. Dabei handelt es sich um einen Hotel-Brand, den ich mit aus der Taufe gehoben habe und an dessen Markenkonzept und Look & Feel ich maßgeblich beteiligt bin. Die Expansion des kunst- und designaffinen Produkts nimmt gerade enorme Geschwindigkeit auf: Neben Mailand eröffnete nun in Prag ein Haus. Derzeit wird ein NYX Hotel in Madrid errichtet, das Anfang nächsten Jahres eröffnet.
Gleichzeitig eröffnen wir in München ein 220 Zimmer-Haus. Auch Hamburg, Düsseldorf und ein weiteres Hotel in Spanien werden folgen. Dabei ist alles, was bei NYX in Europa passiert, unter meiner Federführung. Es wird mir also nie langweilig. Aber ich liebe es, mehrere Projekte gleichzeitig in größeren Dimensionen zu betreuen: Ich finde es großartig, etwas zu schaffen, was viele Leute anspricht.

Welches „Traumprojekt“ würden Sie gerne einmal realisieren?

Andreas Neudahm: Für mich ist jedes neue Projekt ein Wunschprojekt. Natürlich würde ich mich freuen, wenn ich an noch mehr interessanten Orten arbeiten würde und vielleicht noch mehr Resorthotels entwerfe. Davon hängt aber nicht mein Glück ab. Ich bin sehr zufrieden mit dem, was ich machen darf.


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