Grenzen – zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen Innen und Außen: noa* macht die unsichtbaren Linien sichtbar, zu einem Teil des Ganzen und vor allem statt einer Trennung zu einer Verbindung zwischen zwei Welten. Es ist schon ein Privileg, wenn man eingebettet zwischen eigenen Wiesen und Wäldern, mit einer Weite, die von Schlern bis Rittner Horn den Blick bis zu den Meraner Alpen und den Dolomiten freigibt, Raum hat, die eigene Vision zu verwirklichen. Der historische Lobis-Hof der Familie Ramoser, ein Ensemble aus altem Gasthof, Wohnhaus und klassischem Stadel, schreibt mit der nachfolgenden Generation nun das nächste Kapitel – eines, bei dem noa* den neuen, architektonischen Rahmen geschaffen hat.
Bildquelle: Alex Filz
Der 550 Jahre alte Bauernhof selbst entpuppte sich von Beginn an als wertvolle Inspirationsquelle für den Entstehungsprozess eines Projektes, dessen Horizont weit blicken lässt. Um eine gewisse räumliche Analogie zur Historie zu schaffen - ein zartes Anknüpfen an die Geschichte in Form der Anordnung der Baukörper und Details - orientiert sind die gesamte Volumetrie der neuen Gebäude bewusst am Bestand.
„Die Erzeugung eines ambivalenten Spannungsfeldes zwischen der jahrhundertealten Tradition des bäuerlichen Ensembles und eines modern-exklusiven Statements war das Grundprinzip des Gestaltungsprozesses“, unterstreicht Architekt Christian Rottensteiner die ersten Ansätze für das Konzept.
Bildquelle: Alex Filz
Klar, es wäre ein Leichtes gewesen, sich auf der berühmten „grünen Wiese“ einfach auszutoben. Doch noa* wählte einen anderen Weg: Der Entwurf besteht aus freistehenden Volumina, die die Landschaft durchfließen lassen und ein Teil davon werden. So entstanden zwei Gebäude, die zum einen den Public-Bereich mit Empfang, Bistro, Bar und Wellnessbereich, zum anderen den privaten Bereich mit insgesamt 15 Gästesuiten beherbergen. „Die vorgefundene sanfte Topografie und das Arrangieren von offenen und gleichzeitig geschützten Außenräumen bedingten die Disposition der einzelnen Baukörper“, erklärt Christian Rottensteiner das architektonische Konzept.
Auf den ersten Blick wirken sie singulär und bilden gemeinsam eine durchlässige Hofsituation. Jedoch gibt es eine raffinierte Verbindung, einen Korridor, der elegant unter einem künstlich angelegten Hügel verschwindet - und damit von der Bildfläche.
Bildquelle: Alex Filz
Die beiden Baukörper stellen auch in ihrer Formensprache einen starken Bezug zum Bestehenden her. So finden sich hier traditionelle Satteldächer ebenso wie eine sehr dynamische Fassadengestaltung mit aussteifenden Schrägen, die gestalterisch die Streben und Winkel des denkmalgeschützten Stadels repliziert und dennoch in ein modernes Statement übersetzt. Dadurch werden die Fassaden unterschiedlich lesbar - je nachdem, wie man sich dem Baukörper nähert. Auf diese Weise brechen Ost- und Westfassade stark nach außen auf, während sich Nord- und Südseite als homogene Hülle präsentieren. Markant fangen die trapezförmig zugeschnittenen Fenster den Blick ein. Durch die vorgesetzte, über die gesamte Gebäudelänge gezogene Lamellenstruktur wird die Geschossigkeit beinahe verschleiert und ergibt ein homogenes Erscheinungsbild.
„Die Vertikale und die Linearität sind die Leitfäden zweier sich stark kontrastierenden Gestaltungsansätze – teilweise entsteht das Gefühl, zwischen den Welten zu schweben.“ - Christian Rottensteiner
Bildquelle: Alex Filz
Das gesamte Projekt lebt von seinen vielen raffinierten Details und Geschichten, die immer wieder den Kreis zur Familie und zum Ort des Geschehens schließen. So wurde etwa das Holz aus dem eigenen Wald verwendet. Der nachwachsende Rohstoff macht die Architektur nahbar und unterstreicht die Lebendigkeit durch die Vor- und Rücksprünge, die spannende Schattenwürfe erzeugen. Der Gast betritt das Gebäude durch ein Eingangsportal aus schwarzem Stahl, das außen das alte Wappen der Familie aus dem Jahr 1464 trägt.
„Die „Schräge“ ist traditionell ein Element für Lastabtragung und statischer Aussteifung – hier wurde sie aufgegriffen, um den Volumen einer Dynamisierung und einer Verzahnung mit der Landschaft zu unterziehen“, teilt Christian Rottensteiner seine Gedanken zum gestalterischen Zugang.
Bildquelle: Alex Filz
Tritt man durch die stählerne „Schleuse“ am Eingang, erfährt man einen starken Bruch, ein Eintauchen in etwas, das atmosphärisch die Zukunft repräsentiert - und zwar auf außergewöhnliche Weise, denn die gesamten Räumlichkeiten sind in einer horizontalen, farblichen Zweiteilung durchkomponiert: Ein sanftes Beige - geerdet, sinnlich, vertraut - trifft auf ein mystisches Blau, das die Zukunft, das Geheimnisvolle, das Ungewisse verkörpert. Diese ausdrucksstarke, klar definierte Trennlinie wird in beiden Gebäuden konsequent durchgezogen – einmal horizontal, einmal vertikal.
Interiordesigner Patrick Gürtler begründet die Farbwahl so: „Die Vergangenheit ist gewachsen wie der Stein, das Holz, die Natur. Die Zukunft ist hingegen schleierhaft, geheimnisvoll und artifiziell, also nicht greifbar wie der Himmel, die Nacht oder der Ozean. Dazwischen liegt der Moment, eine bedingungslose scharfe Teilung, aber auch eine Berührung.“ Ein Teilen – nicht um zu trennen, sondern zu verbinden. „Der Gast ist eingeladen, sich durch diesen Kosmos zwischen den polarisierenden Umgebungen zu bewegen und sie zu erspüren“, setzt Patrick Gürtler fort.
Bildquelle: Alex Filz
noa* möchte mit diesem Konzept das starke „Dazwischen“ zeigen, ist doch der Bauplatz an einem Ort, an dem man fest am Boden steht und gleichzeitig das Gefühl hat, die Wolken berühren zu können. Im Public-Gebäude findet der scharfkantige Übergang zwischen Beige und Blau auf Augenhöhe in 1,60 Metern statt, um diese „Zwischenzone“ spürbar zu machen. Die Protagonisten des Konzeptes sind aber nicht nur Boden, Wände und Decken: Alle Einrichtungsgegenstände – von Vorhang über Möbelstücke bis zur Leuchte – sind Teil des holistischen Ansatzes.
Als eine Art Gratwanderung zwischen „Verwurzelt Sein“ und „Fliegen Wollen“ eröffnet sich hier ein Innenraumkonzept, das von Ort und Zeit völlig losgelöst scheint. Im Erdgeschoss eröffnet sich dem Eintretenden ein Raum mit vielen Funktionen. Während die Rezeption, ausgestattet mit einem dezenten Schreibtisch, den Gast willkommen heißt, fängt die Bar mit ihren besonderen Details den Blick und lässt diesen schweifen: Eine große Weinexposition inmitten gemütlicher Bistrotische, die flexibel bespielbare Panoramastube, der Loungebereich mit offenem Kamin und verspiegelter Decke sowie die etwas abseits gelegene Leseecke mit den Hängesofas definieren den Raum. Große Fensteröffnungen lassen die umliegende Natur zum integrativen Teil des Raumes werden.
Bildquelle: Alex Filz
Im ersten Obergeschoss dieses Baukörpers befindet sich der Wellnessbereich. Auf dem Weg hinauf „durchtaucht“ man die blaue Horizontale und findet sich im umgekehrten Farbkonzept wieder: Als Symbol für das Wasser ist das Blau nun unten. Vorbei an der einladenden Obstbar und am Trinkbrunnen eröffnet sich der großzügige Ruhebereich und anschließender Terrasse. Doch das Spa hat noch viel mehr zu bieten. An der südwestlichen Gebäudeseite kragt der spektakuläre, überdachte Outdoorpool mit Infinity-Kante und atemberaubendem Ausblick aus. Diesen erreicht man über ein Podest, dessen oberste Ebene die „Wasserkante“ markiert und damit erneut den Wechsel zwischen Blau und Beige.
Noch ein paar weitere Stufen hinauf befindet sich ein separater Ruhebereich, den man als Meditationsraum, für Yoga oder Entspannung nutzen oder reservieren kann. Direkt davor im Außenbereich, auf einer Dachterrasse mit Blick auf die Dolomiten, befindet sich ein Whirlpool. Unmittelbar darunter, im Südosten, liegt der Nacktbereich. Das Dampfbad und die finnische Sauna haben ihren Zugang über einen Vorraum mit einem großen Trinkbrunnen und Duschanlage. Während das Dampfbad eher introvertiert positioniert ist und den Blick auf die Wasserstelle lenkt, präsentiert sich die Sauna, situiert an der Außenseite, extrovertiert und offen mit Aussicht auf die umliegenden mystischen Wälder.
Bildquelle: Alex Filz
Im zweiten Gebäude, das im Gegensatz zu seinem Pendant dreigeschossig ist, befinden sich die 15 Suiten des neuen Hotels. Über einen unterirdischen Korridor sind beide Baukörper mit einander verbunden, und schon hier vollzieht die Teilung der Farbwelten eine 90-Grad-Wende: Was horizontal war, ist nun vertikal. Dabei wird bewusst auch eine psychologische Wirkung miteinbezogen, denn ab hier kann man mit dem ganzen Körper in den jeweiligen Bereich eintauchen, was insgesamt entspannend wirkt.
Grundsätzlich gibt es drei Zimmertypologien, die sich Größe und Ausstattung unterscheiden. Die 35 Quadratmeter großen Juniorsuiten öffnen sich vom Eingangs- und Badbereich mit freistehendem Waschtisch und offener Dusche über den Wohnbereich mit Schreibtisch, Privatbar und Lounge bis hin zum Schlafbereich, der schließlich in eine 15 Quadratmeter große Terrasse oder Balkon ausläuft. Die Idee, gerade dem Bett diese einzigartige Position im Raum mit weitem Blick zu geben, basiert auf der berühmten Idylle des „Bettes im Kornfeld“. Die Suiten im Erdgeschoss kommen auf ihren Terrassen noch zusätzlich in den Genuss eines privaten Whirlpools. Die mit 55 Quadratmetern größeren Suiten jeweils an der Außenseite des Gebäudes verfügen über ein zusätzliches Wohnzimmer mit hängendem Doppelbett und öffnen sich nach beiden Seiten zu den herrlichen Bergpanoramen. Ein anderes Highlight im wahrsten Sinne des Wortes ist die Galerie-Suite, in der eine interne Treppe auf ein Wohnpodest bis ins Dach führt, wo man durch die Öffnung im Dach den Himmel beobachten kann.
Bildquelle: Alex Filz
In Sachen Farbteilung werden auch in den Suiten keine Kompromisse gemacht: Etwa ein Drittel wird in Blau, zwei Drittel in Beige gehalten, wobei sich durch die Dynamik in der Benutzung eine gewisse Vermischung der Bereiche ergibt. Die leichten, teilweise schwebenden, linearen Möbel beziehen sich dabei auf die Architektur und werden skrupellos in zwei geteilt. Die Wände sind mit Stoff bespannt und werden so mit einer Oberfläche, die man nicht als Wand wahrnimmt, fast entmaterialisiert.
„Wir haben sorgfältig Stoffe, Hölzer und Farben ausgewählt, die sowohl miteinander und gleichzeitig gegeneinander spielen“, merkt Patrick Gürtler noch an. So machen die Haptik, die hier ins Spiel kommt, und eine gewisse Undefiniertheit neugierig und laden zu einer Entdeckungsreise ein: Mit der raffiniert inszenierten Wandelbarkeit, die durch das konsequent-lineare Aufeinandertreffen zweier bewusst ausgewählter Farben entsteht, ermöglicht noa* dem Gast eine einzigartige räumliche Erfahrung, die womöglich weit über das bisher Bekannte hinausgeht.